Die pädagogische Ordnung des Johann Amos Comenius

Bernhard Stalla

 

„Eine bestimmte Ordnung für Personen und Handlungen muß da sein. Die einen müssen herrschen, die anderen unterthan sein, und jeder muß wissen, was er an seinem Platz und zu seiner Zeit zu thun hat. Aber alles geschehe freiwillig, ohne zwingende Gewalt und vernunftgemäß, ohne List und Betrug. Denn die menschliche Natur will menschlich regiert werden, sie läßt sich lieber führen als ziehen, lieber überreden als zwingen; ist sie doch nach dem Ebenbilde Gottes vernunftbegabt und frei und mit dem Rechte freier Selbstbestimmung geschaffen.“ Johann Amos Comenius: Unum necessarium. Das einzig Notwendig. Ein Laien-Brevier. Aus dem Lateinischen übersetzt von Johannes Seeger. Mit biographischer Einleitung, hrsg. von Ludwig Keller. Jena und Leipzig: Verlag Eugen Dietrichs 1904, Seite 131-132.

 
1. Grundlegung der Pädagogischen Ordnung bei Comenius

Die Pädagogische Ordnung des tschechischen Theologen, Pädagogen, Schulreformer Jan Amos Komensky mit latinisiertem Namen Johann Amos Comenius (* 28. 03. 1592 Nivnice/Mähren – † 15. 11. 1670 Amsterdam) beruht auf der universalen Einsicht in das Ganze und seine Ordnung. Sie ist aufgebaut auf die Lehre von Gott (Theologie), von der Welt (Kosmologie) und vom Menschen (Anthropologie). Als ewiges, höchstes Prinzip (transcendens) nimmt Gott als Schöpfer der Welt und des Menschen, als Herr über alle Dinge eine zentrale Stellung in der Ordnung des Ganzen ein.
„GOTT ist aus sich selber / von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das allervollkommenste und allerseeligste Seyn (Ding.) Im Wesen / Geistlich und Einig. In der Persönlichkeit / Dreyfaltig. Im Willen / Heilig / Gerecht / Gütig / Wahrhafftig. An Macht / der Gröste. An Güte / der Beste. An Weißheit Unermäßlich. Ein unbegreiffliches Liecht: und doch Alles in Allem. Überall / und Nirgend. Das höchste Gut / und alleine der unerschöpfliche Brunn alles Guten. Aller Dinge / die wir nennen die Welt / gleichwie ein Erschaffer / also ein Regirer und Erhalter.“ Comenius, Johann Amos: Orbis sensualium pictus. Nachdruck der Erstausgabe von 1658. Mit einem Vorwort von Hainer Höfener. Dortmund: Harenberg Kommunikation, 3. Auflage 1985 (Die bibliophilen Taschenbücher Nr. 30) Seite 6-7.
Johann Amos Comenius setzt das Bild Gottes gleich mit Weisheit, Tüchtigkeit, Heiligkeit. Er benennt vier Wesensmerkmale Gottes mit folgenden alles umfassenden Eigenschaften: „Die hervorstechenden Vermögen Gottes sind: I. seine Allwissenheit, II. seine Allmächtigkeit, III. seine Allheiligkeit, IV. seine völlige Selbstgenügsamkeit.“ Comenius, Johann Amos: Pampaedia. Lateinischer Text  und deutsche Übersetzung. Hrsg. von Tschizewskij, Dimitrij in Verbindung mit Heinrich Geissler und Klaus Schaller. Heidelberg: Verlag Quelle und Meyer o.J. (1960) (Pädagogische Forschungen und Veröffentlichungen des Comenius-Instituts 5) Kapitel III: Omina, 14. Seite 57.
Gott hat als Anfangsgrund aller Prinzipien (principium principiorum), als Mitte aller Mitten (mediorum medium) und als Ziel aller Ziele (finis finium) alle geschaffenen Dinge zu einem Ordnungsgefüge mit innewohnenden Gesetzten geordnet und den Menschen ein Stück dieser rationalen Kraft gegeben, damit er erkennend und tätig daran mitwirkt. Die Welt wurde von Gott, als dem Anfang und Schöpfer aller Dinge, in ihrem idealen Zustand, als göttliches Ordnungswerk geschaffen. Johann Amos Comenius bestimmt „acht Wesensformen der Welt 1. die mögliche Welt (Mundus Possibilis), 2. die urbildliche Welt (Mundus Archetypus), 3. die Engelwelt (Mundus Angelicus), 4. die natürliche Welt (Mundus Naturalis), 5. die Welt menschlicher Wirksamkeit (Mundus Artificialis), 6. die sittliche Welt (Mundus Moralis), 7. die geistige Welt (Mundus Spiritualis), 8. die ewige Welt (Mundus Aeternus).“ Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel XV: Schola Mortis, Seite 447. Welt und Natur sind immer göttliche Ordnung. Die Verantwortung für die Natur ist dem Menschen, der in der Welt dreifachen Umgang hat, mit der Natur, den Pflanzen und Tieren, mit anderen Menschen und mit Gott, als Aufgabe übertragen. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel III: Omina, 10. Seite 447.  Von dieser idealen Weltordnung unterscheidet Comenius die reale, gegenwärtig vorhandene Welt. Weil die Menschen die grundlegende Ordnung nicht anerkennen und versuchen sich über Gott zu erheben, zerbricht die Harmonie der idealen Welt, die Welt gerät in Unordnung und der Mensch fällt in Sünde. Jedoch besteht für Comenius die Hoffnung, dass der chaotische Zustand der Welt durch die Erziehung und Bildung des Menschen verbessert und die Ordnung wiederhergestellt werden kann.
Der Mensch als vernünftiges, zur Ordnung fähiges Wesen stellt das Ebenbild Gottes, seines Schöpfers dar. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel IV: Omina, 8., Seite 103. Siehe auch: Schurr, Johannes: Comenius. Eine Einführung in die Consultatio Catholica. Passau: Verlag Passiva 1981 (Schriften der Universität Passau, Reihe Geisteswissenschaften, Band 2), Seite 29-45.  Der Mensch verbindet in seiner Natur das Wesen der Elemente, der unbelebten Natur, der Pflanzen, der Tiere und Engel. Der Mensch als Gesamtheit verfügt über den Verstand (ratio), die Sprache (oratio), und die Fähigkeit zur werktätigen Bearbeitung (operatio). Zum Menschen gehören wesentlich das Vermögen des Geistes (animus) und seine Teile, die verständige Einsicht (intellectus), der freie Wille (voluntas) und das Gedächtnis (memoria), die die Herrschaft über die Dinge (potestas), die freie Entscheidung (arbitrium) und das Vermögen zum Handeln (facultates) ermöglichen. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel IV: Omnino, 17. Seite 113. Die Sonderstellung des Menschen in der Welt wird durch fünf Merkmale begründet, der Mensch ist stark im Geist (animus) und in der Weisheit (sapientia), er vermag Werke (erga) zu tun, er kennt gute Sitte und Höflichkeit (mores) und er lebt in Frömmigkeit (religio). Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel III: Omina, 10. Seite 55. Die Aufgaben des Menschen bestehen darin, dass er erstens aller Dinge kundig sei (gelehrte Bildung: eruditio), zweitens die Dinge und sich selber beherrsche (Tugend oder Sittlichkeit: mores) und drittens alles auf Gott als den Ursprung aller Dinge zurückführe (Glaube und Frömmigkeit: religio). Comenius, Johann Amos: Große Didaktik. Übersetzt und herausgegeben von Andreas Flitner. Düsseldorf und München: Verlag Helmut Küpper 3. Auflage 1966 Seite 34-35. Für Comenius ist das Ziel des Menschen, die Ordnung des Ganzen zu erlernen und ein Abbild des Bildes von der vollkommenen Ordnung zu werden. Der Mensch braucht die fürsorgende Erziehung durch seine Mitmenschen, um sich als Mensch zu entfalten, er bedarf der Bildung, um die rechte Ordnung, den Sinn der Welt und der Dinge zu erfahren und selbst in der richtigen Ordnung zu stehen. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel II: Omens, 7. Seite 27.

Pädagogische Sinnbilder von Comenius
Abbildung 1: Sinnbilder der pädagogischen Ordnung des Comenius. Abbildungen entnommen aus Comenius, Johann Amos: Orbis sensualium pictus. Dortmund: Harenberg Kommunikation 3. Auflage 1985 (Die bibliophilen Taschenbücher Nr. 30), Seite 6, 8, 74, 198.

2. Pädagogik als Ordnung des Lebens

Die pädagogische Ordnung des Johann Amos Comenius begründet sich auf der dreifachen Bestimmung und Heimat des menschlichen Lebens:
„Ein dreifaches Leben und dreierlei Aufenthaltsorte sind also jedem von uns vorbestimmt: Mutterleib, Erde und Himmel. Vom ersten zum zweiten gelangen wir durch die Geburt, vom zweiten zum dritten durch den Tod und die Auferstehung. Im dritten aber bleiben wir für alle Ewigkeit. An der ersten Stelle empfangen wir Leben und Anfänge von Bewegung und Empfindung; an der zweiten erhalten wir Leben, Bewegung, Empfindung und Anfänge von Erkenntnis; an der dritten die unbegrenzte Fülle von allen.“ Comenius, Johann Amos: Große Didaktik a.a.O. Seite 30-31.
Von dieser dreifachen Lebensbestimmung leiten sich folgende Ordnungsprinzipien ab, die das menschliche Leben prägen.
Der Mensch hat drei Bücher, um zu Wissen und Erkenntnis zu gelangen: 1. Das Buch der Natur, 2. Das Buch der Vernunft, 3. Die Heilige Schrift. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel VI: Pambiblia, 28. Seite 167.
Der Mensch hat drei Gaben, um diese drei Bücher zu lesen: 1. Die Sinne, 2. Den Verstand, 3. Den Glauben. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel III: Omnia, 38. Seite 167.
Diese Gaben muß der Mensch für drei Bereiche anwenden: 1. Das Wissen, 2. Die Tugend, 3. Die Frömmigkeit. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel IV: Omnino, 1. Seite 93-94.
Davon leiten sich drei menschliche Aufgaben ab: 1. recht lernen, 2. recht handeln, 3. recht beten. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel III: Omina, 44. Seite 87.
Diese Ordnungsprinzipien führen zu drei pädagogischen Grundsätzen, die Comenius aufstellt:
Omnes, jeder, aus jedem Standes, aus jeder Abstammung, aus jedem Volk, Mann und Frau, Jungen und Mädchen, Kinder und Jugendliche sollen unterwiesen werden und durch Unterricht Einsicht und Wissen erhalten. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel II: Omnes Seite 23-49.
Omnia, alles soll jeder Mensch lernen, was zu seiner Vollendung führt und seine Persönlichkeit bildet. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel III: Omens Seite 49-93.
Omnino, im Ganzen soll jeder Mensch alles von Grund auf lernen und so Einsicht und Erkenntnis von der Ordnung des Ganzen erhalten. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel IV: Omnino Seite 95-117.
Davon abgeleitet stellt der Theologe, Philosoph und Pädagoge Johann Amos Comenius drei Forderungen des Wissens auf, die das Lehren und Lernen erleichtern sollen:
1. kein lückenhaftes Teilwissen, sondern ganzheitliches Wissen. 2. kein oberflächliches, äußerliches Wissen, sondern festgegründete Einsicht. 3. kein beschwerliches, erzwungenes, sondern angenehmes und dauerhaftes Wissen, als Grundlagen des Lehrens und Lernens. Comenius, Johann Amos: Pampaedia a.a.O. Kapitel IV: Omnino, 3. Seite 97.
Das Wissen wird durch vier methodische Grundsätze des Lernens erreicht. 1. Der Grundsatz der Sicherheit bedeutet, dass jedes Lernen zum richtigen Zeitpunkt, der Altersstufe entsprechend, mit den richtigen Materialien, schrittweise vom Allgemeinen zum Besonderen vollzogen werden soll. 2. Der Grundsatz der Leichtigkeit umfasst das Lernen vom Leichten zum Schwierigen, langsames Vorgehen mit wenigem, aber tief greifenden Lernstoff. 3. Im Grundsatz der Gründlichkeit muss alles Neue auf das Vorhergehende aufgebaut sein und geübt werden. 4. Beim Grundsatz der Schnelligkeit soll die Aufmerksamkeit durch sinnliche Anschauung gefördert und durch konzentriertes Arbeiten ein genaues, schnelles Lernen möglich werden. Comenius, Johann Amos: Große Didaktik a.a.O. Seite 86-134.
Ausgehend von diesen Überlegungen, Grundsätze für das Lehren und Lernen durch die Beobachtung der Natur und der natürlichen Entwicklung abzuleiten, verfasste der Didaktiker und Theologe Johann Amos Comenius folgende Regel für alle Lehrenden:
„Daher die goldene Regel für alle Lehrenden: Alles soll wo immer möglich den Sinnen vorgeführt werden, was sichtbar dem Gesicht, was hörbar dem Gehör, was riechbar dem Geruch, was schmeckbar dem Geschmack, was fühlbar dem Tastsinn. Und wenn etwas durch verschiedene Sinne gleichzeitig aufgenommen werden kann, soll es den verschiedenen zugleich vorgesetzt werden.“ Comenius, Johann Amos: Große Didaktik. a.a.O. 20. Kapitel, Seite 136-137.
In der Pampaedia beschreibt Comenius die pädagogische Zielsetzung für eine vollkommene Schule.„Vollkommen ihrem Zwecke entsprechend nenne ich die Schule, die wahrhaftig eine Menschen-Werkstätte ist, wo nämlich der Geist der Lernenden erleuchtet wird vom Glanze der Weisheit, so dass er sogleich in alles Verborgene und Offenbare einzudringen vermag (Weish. 7, 21); wo die Sinne und ihre Neigungen zu allgemeiner Harmonie der Tugend gelenkt und die Herzen verlockt werden durch die göttliche Liebe, so dass alle, welche um dieser wahren Weisheit willen christlichen Schulen anvertraut sind, schon jetzt auf Erden ein himmliches Leben zu führen sich gewöhnen; mit einem Worte dort, wo alle alles allumfassend gelehrt werden. Aber welche Schule hat diese Stufe der Vollkommenheit bisher angestrebt – ganz zu schweigen davon, ob sie sie erreicht hätte?“
Diese Pädagogische Ordnung wird deutlich in den konzentrischen Kreisen in dem Stufenaufbau der Schule des Lebens mit den vier Schulen in der Schrift „Didactica Magna“ und den acht Schulen in der Schrift „Pampaedia“ des Theologen, Philosophen und Pädagogen Johann Amos Comenius.

Comenius Acht Stufen der Schule des Lebens
Abbildung 2: Die achtfache Abstufung der Schule nach Alter und Fortschritt, nach den Ausführungen im Buch Johann Amos Comenius: „Pampaedia“„Allerziehung“ Idee und Entwurf der Grafik: Prof DDr.Dr.h.c. Philipp Eggers, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Dr.phil. Bernhard Stalla, Universität München.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die „Didactica Magna. Große Didaktik. Die vollständige Kunst, alle Menschen alles zu lehren“ schult den Menschen bis zum 24. Lebensjahr und kennt vier Schulen. Die Mutterschule (1. – 6. Jahr) bildet die äußeren Sinne des Kindes, damit sie daran gewöhnt werden, Gegenstände zu erkennen und zu unterscheiden. Sie ist eine Tugendlehre zu Ehrlichkeit, Mäßigkeit, Liebe, Religiosität. Die Grund- und Muttersprachschule (7. – 12. Jahr) richtet sich an die äußeren Sinne, das Vorstellungsvermögen und das Gedächtnis, als allgemeiner Unterricht in der Muttersprache mit Einführung in die allgemeinen, menschlichen Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Zeichnen, Singen, Rechnen, Messen und Wägen.
Die Lateinschule (13. – 18. Jahr) bildet Verständnis und Urteil für alle mit den Sinnen aufgenommenen Dinge heran durch Dialektik, Grammatik, Rhetorik und die übrigen Wissenschaften und Künste.
Die Universität (19. – 24. Jahr) lehrt die Willensbildung durch universale Studien und umfassende Darstellung der Wissenschaften und Weisheit.
In der Pampaedia, Allerziehung als vierter Teil der Allgemeinen Beratung über die Verbesserung der menschlichen Dinge begleiten acht Schulen den Lebensweg des Menschen. Die Schule des vorgeburtlichen Werdens ist begründet auf einer vernünftigen, ehrenwerten Eheschließung, auf Pflege und Verantwortung der ersten Ehezeit und auf die Sorge für das Kind schon vor der Geburt.
Die Schule der frühen Kindheit (1. bis 6. Jahr) beginnt mit der Einführung in die Sprache, in die Beweglichkeit des Körpers und das Empfinden des Gemüts. Sie reicht von der Schulung der Sinneswahrnehmung, der Sitten, des Glaubens, bis zur Klasse des ersten gemeinsamen Unterrichts in Singen, Spiel, Rechnen.
Die Schule des Knabenalters (6. – 12. Jahr) führt in sechs Klassen die Kinder in die Lehrfächer Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion ein.
Die Schule der Reifezeit (13. – 18. Jahr) dient dazu die drei Grundfähigkeiten des Menschen, Denken, Sprechen, Handeln durch Sprachen, Künste, Wissenschaften, Sitten und Frömmigkeit zu vertiefen und Körper und Geist in sechs Klassen richtig auszubilden.
Die Schule des Jungmannesalters hat die reine Einsicht in die Sachwelt und den Zugang zur Praxis zum Ziel. Durch das eigentliche akademische Studium, die Bildungsreise und die Berufswahl ist diese Schule geprägt..
In der Schule des Mannesalters, die mit dem Eintritt in das Berufsleben beginnt, muss der Mensch durch Selbsterziehung seine Aufgaben erledigen.
Die Schule des Greisenalters betont die Würde des Menschen in Alter und Krankheit und will den Rest des Lebens in richtiger Weise vollenden.
Die Schule des Todes beinhaltet die Vorbereitung auf das Sterben durch die Rückschau auf das leben und das Nachdenken über den Glauben.
Johann Amos Comenius betont die Notwendigkeit lebenslangen Lernens, er fordert die gleiche Ausbildung für Männer und Frauen und er konstituiert dadurch gleiche Erziehung und Bildung als Menschenrecht.

Die 4 Schulen in der Didactica Magna
Abbildung 3: Die vierfache Abstufung der Schule nach Alter und Fortschritt, nach den Ausführungen im Buch Johann Amos Comenius: „Didactica Magna“„Große Unterrichtslehre“ Idee und Entwurf der Grafik: Prof DDr.Dr.h.c. Philipp Eggers, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Dr.phil. Bernhard Stalla, Universität München.

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Aktuelle Gesichtspunkte zur Pädagogischen Ordnung des Comenius

Johann Amos Comenius denkt in den Kategorien seiner Zeit, für ihn gibt es eine Ordnung aller Dinge, die er durch einen realen pädagogischen und methodischen Erziehungs- und Bildungsprozeß für den Menschen erfahrbar und umsetzbar machen möchte. Diese allseitige, allumfassende, allgemeingültige Ordnung, die der Theologe, Philosoph und Pädagoge Comenius in seiner Pädagogischen Ordnung voraussetzt, ist für uns heute nicht mehr gegeben. Alles Wissen steht in unserer Zeit gleichwertig nebeneinander. Es gibt keinen Maßstab für eine Auswahl, es sei denn eine subjektive, von äußerlichen Gründen diktierte Entscheidung für Auswahlkriterien. Es gibt keine gültige Ordnung, Ordnungsstrukturen, Ordnungssysteme, Ordnungsprinzipien, Ordnungskategorien, die generell anerkannt werden, darum ist auch die Bewältigung der Wissensvielfalt und der Stoffmenge ein Problem.
Ein zweiter aktueller Gesichtspunkt in der Pädagogischen Ordnung des Comenius ist die Betonung lebenslangen Lernens. Menschliches Leben bedeutet heute ständiges Dazu-Lernen. Wer heute nicht lernend lebt, ist schon ein lebender Toter, weil die Welt, in der er lebt, sich ständig verändert. Je nach Aufgabe und Bewusstsein des Menschen in der Welt sind auch verschiedene Formen von Bildung nach Aufnahmefähigkeit, Fassungskraft und Verantwortungsbereich notwendig, aber es darf keine Gradunterschiede in der Bildung geben. Bildung muss als Menschenrecht allen offen stehen, ein gewisser Bildungsgrad soll für alle Menschen erreicht werden.
Ein dritter aktueller Gesichtspunkt besteht in der Auffassung des Theologen, Philosophen und Pädagogen Comenius vom Menschen als Geschöpf und nicht als Schöpfer. Der Mensch wird nicht nur als Wesen dieser Welt betrachtet, sondern metaphysisch bestimmt. Der Mensch heute versucht sich oft als Herr der Dinge und der Schöpfung zu verstehen und über die Dinge zu verfügen, wie es seinem Willen entspricht. Es wird der Versuch gemacht, den Menschen als Naturkraft zu bestimmen, dies zeigt sich zum Beispiel sprachlich an den Begriffen Arbeitskraft, Lehrkraft usw.

Orbis Sensualium Pictus Schola Die Schul
Abbildung 4: Johann Amos Comenius „Orbis Sensualium Pictus“ „Bild der Sichtbaren Welt“ Nürnberg: Michael Endter 1658. Nachdruck der Erstausgabe Dortmund: Harenberg Kommunikation 3. Auflage 1985. (Die bibliophilen Taschenbücher Nr. 30),Kapitel XCVII Schola. Die Schul. S. 198

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für Johann Amos Comenius stehen alle Dinge des Menschen und der Welt in einer großen Ordnung zueinander. Die Schule als Begriff für Lebenserfahrung durch Erziehung und Bildung hört nie auf. Alles Leben des Menschen ist eine Schule. Wenn die Schule einmal aufhört, dann ist das menschliche Leben an seinem Ende angelangt.
Der Theologe und Pädagoge Johann Amos Comenius hat ein Gebet für alle lernenden Menschen verfasst, das die Zusammenfassung dieser Thematik ermöglichen soll.
„Kurzes Gebet der Heranreifenden. O heiliger Gott, durchdringe mich mit dem Wissen um deine Güte! Sättige mich mit dem Anblick deiner Weisheit! Unterstütze mich mit deiner hilfreichen Hand! Schenke allen die Gabe, die Schönheit deines göttlichen Wesens zu schildern, auf daß alles verblasse, was nicht du bist, unser Gott. Verleihe uns einen offenen Sinn, ein leichtes Verständnis, ein waches Gedächtnis! Gib Eifer im Wollen und Kraft im Handeln, gib Gelingen allem, was glücklich begonnen wurde, und Stetigkeit im Fortschreiten – auf daß deine Hand mich überall begleite, wohin ich mich wende, und dein Segen mir folge, bis du mich mit den vielen, die dir gehören, zu dir führst. Amen.“